Die Europäische Union trägt zur Förderung der europäischen Dimension des Sports bei und berücksichtigt dabei dessen besondere Merkmale, dessen auf freiwilligem Engagement basierende Strukturen sowie dessen soziale und pädagogische Funktion. [Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Art. 165 (1)]. Der Profisport findet auf den gesamten 280 Seiten keine Erwähnung.
In der Berichtsvorlage Stadionneubau des Oberbürgermeisters wurde das Wort „Profi“ in Klammern eingeschoben: „Interessant sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen der Europäischen Kommission zum Stellenwert des (Profi-) Sports”. Diese Behauptung zum Stellenwert des Profisports war Grundlage für alle Rats- und Ausschusssitzungen zum Thema Stadionneubau.
Es gibt nur Ausführungen der Europäischen Kommission „zum Stellenwert des Sports“. Profisport ist eine Wirtschaftstätigkeit [Europäische Kommission]. Wenn die Kommission den Begriff „Profisport“ nutzt, geht es meist um Anti-Doping und Anti-Beihilfe von Wirtschaftsunternehmen, wie in den Ausführungen zur Beihilfe in Barcelona, Chemnitz, Jena, Osasuna, Rotterdam, Valencia und anderen. Die Genehmigung der Beihilfe für das Stadion in Chemnitz war im wesentlichen gekoppelt an die Nutzung des Stadions durch den Breitensport. Anders als Chemnitz hat die Stadt Oldenburg für andere Teams, den Schul- und den Breitensport bereits ein Mehrzweck-Stadion (das Marschweg Stadion).
Die Antwort des Oberbürgermeisters auf der Infoveranstaltung zum Stadionbau zeigt, dass der Sportjournalist Krogmann den Unterschied zwischen Amateur- und Profisport versteht. [Der Clip zitiert ©oeins]
Daher haben wir zu dieser Berichtsvorlage im Sportausschuss die Einwohnerfrage gestellt: Wie rechtfertigt die Stadtverwaltung, dass die Amsterdamer Erklärung zum Stellenwert des Sports hier für das Fußballgeschäft durch den Zusatz eines, die Erklärung in Wort und Geist verfälschenden „Profi“ missbraucht wird?
In seiner Abhandlung der „Rechtsfragen des Baus und Betriebs von Sporthallen“ stellte Prof. Dr. Peter Fischer 2018 klar:
Zu den Aufgaben der Kommunen gehört auch der Bau von Sportstätten – von Fußballstadien über Hallenbäder und anderen Sporthallen bis hin zu Bolzplätzen. … Dies wird verstanden als Daseinsvorsorge durch Sportdienstleistungen. ... Die Förderung von kommerziellen Marktteilnehmern ist ausgeschlossen. Öffentlich geförderte Sportanlagen müssen der Allgemeinheit zugänglich sein.
Das europäische Recht verbietet einen staatlichen Eingriff in den Markt durch die Vergabe öffentlicher Gelder („Beihilfen“) z.B. für Sportarenen kommerzieller Profi-Fußballclubs, die – im weitesten Sinne – der Unterhaltungsindustrie zuzurechnen sind. … Diese Unterscheidung zwischen dem Amateur- und dem Profisport ist auch von Bedeutung für den Bau von Sportstätten und für deren Überlassung an Sportler*innen durch die Kommunen und die Vereine.
Prof. Fischer zieht das Fazit: „Der Staat begünstigt nicht die kommerziell erbrachten Sportdienstleistungen und den Profisport.“
Daher führt unserer Meinung nach der Zusatz „Profi“ in der Vorlage des OBs an den Rat der Stadt Oldenburg zu einer Falschinterpretation der Regeln für die staatliche Beihilfe für den Bau von Sportinfrastrukturen. Der Oberbürgermeister rechtfertigt in seiner schriftlichen Antwort vom 17. März 2023 das eingeschobene „Profi“:
Die von Ihnen angesprochene Passage soll in der Berichtsvorlage „Stadionneubau Maastrichter Straße (22/0905)“ den Kontext zur gesellschaftlichen Bedeutung des Sports und der Wechselwirkung von professionellem und Breitensport erläutern. In den Ausführungen der Europäischen Kommission zum Chemnitzer Stadion wird hierauf eingegangen und sowohl zur Bedeutung des Amateur- wie Profisports ausgeführt. Insofern wird der Zusatz „Profi“ nicht missbräuchlich, sondern erläuternd in der Einführung zum zitierten Text eingesetzt, der im Übrigen wortgleich wiedergegeben wird.
Zum Nachlesen hier alle vier Passagen, die im Verfahren „Staatliche Beihilfe SA.36105 (2013/N) – Chemnitz“ den Profisport in irgendeiner Weise erwähnen. Die Ausführungen der Wettbewerbsaufsicht zum vom Chemnitzer Fußballclub e. V. (CFC) genutzten Stadion deuten das Beihilfe-Problem von Krogmanns Plänen schon an:
1.-
Der CFC wird das Stadion an 22 Tagen im Jahr zum Austragen von Spielen der Profi-Mannschaft nutzen. Das Training dieser Mannschaft findet auf einem anderen Gelände statt. Dies lässt viel Raum für die Nutzung der Sportinfrastruktur durch Dritte. Daher wird es zwischen der Stadt Chemnitz und dem CFC eine Vereinbarung über gemeinwohlorientierte Nutzungen geben. Dies betrifft Aktivitäten des Breitensports, in erster Linie im Jugendbereich, Fußballspiele von Amateurvereinen und die Nutzung für den Schulsport.
Oberbürgermeister Krogmann hat mehrfach bestätigt, dass Amateurvereine und der Schulsport das Drittliga-Fußballstadion nicht nutzen werden. Damit wird diese Wechselwirkung von gewerblichem Sport und Breitensport vom OB ausgeschlossen.
2.-
Der CFC spielt in der 3. deutschen Fußball-Bundesliga. … Die 3. Liga bietet ihnen bessere Chancen, als Profispieler engagiert zu werden. Einnahmen des Vereins stammen aus dem Kartenverkauf und dem Sponsoring, das hauptsächlich mit lokalen Unternehmen erfolgt. Clubs der 3. Liga sind auch auf dem Spielermarkt tätig, doch erfolgen Transfers in der Regel unentgeltlich bzw. gegen geringe Ablösesummen. Nach Angaben Deutschlands hat es aber auch Einzelfälle gegeben, in denen Spieler gegen Ablösesummen in andere Mitgliedstaaten transferiert bzw. von dort nach Deutschland geholt wurden.
Vom Kader der VfB Oldenburg Fußball GmbH spielte z.B. Christopher Buchtmann einst bei FC Liverpool und FC Fulham in England. Marcel Appiah spielte in den Niederlanden, wo er 2019 abgeworben wurde. Sebastian Mielitz spielte bis 2020 beim dänischen Erstligisten Sønderjysk Elitesport. Die VfB Oldenburg Fußball GmbH warb ihn 2022 beim dänischen Zweitligisten FC Helsingør ab (die bauten 2019 ein Erstliga-Stadion für unter 12 Mio €). Dominik Kisiel hütete bis 2009 Tore in Polen. Auch Robert Ziętarski warb der VfB 2021 beim polnischen Club Chojniczanka Chojnice ab. Der Schweizer Orhan Ademi kam im Januar 2023 vom rumänischen UTA Arad zum VfB. Der Österreicher Patrick Hasenhüttl vom FC Klagenfurt spielt leihweise beim VfB. Da die Oldenburger Steuerzahler*innen die Verluste aus dem Fußballstadion übernehmen, bleiben der VfB Oldenburg Fußball GmbH mehr finanzielle Ressourcen, um Spieler abzuwerben – was ein unzulässiger Eingriff in den europäischen Binnenmarkt ist. [Der Clip zitiert Geschäftsführer Michael Weinberg im ©nwzonline VfB-Talk]
3.-
Auch die professionelle Fußballaktivität des CFC kann eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV darstellen. Sport fällt insofern unter das EU-Recht und die Wettbewerbsvorschriften, als er eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt. Dies ist insbesondere dann gegeben, wenn eine Sportart die Form einer Erwerbstätigkeit oder der Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt annimmt, wie dies beim Profifußball der Fall ist. Angesichts der vielen Märkte, auf denen Profifußballvereine tätig sind (Teilnahme an Turnieren, Verkauf von Eintrittskarten und Ausstrahlungsrechten, Spielertransfers, Sponsoring, Merchandising- und Werbevereinbarungen u. a.), ist es sehr wahrscheinlich, dass Maßnahmen, die Profifußballvereinen einen Vorteil verschaffen, auch eine wirtschaftliche Tätigkeit unterstützen.
Falls OB Krogmann (SPD) die Ausführungen zum Notifizierungsverfahren für das Stadion in Chemnitz, auf die er Bezug nimmt, wirklich gelesen haben sollte, wäre schwer nachzuvollziehen, warum er in Bezug auf sein Drittliga-Stadion von „marktüblicher Miete“ bzw. RH Baak (CDU) von „ortsüblicher Stadionmiete“ spricht. Denn in der vierten und letzten Passage zum Thema Profisport steht:
4.-
Es ist nicht möglich, für den Pachtzins, den der lokale Profifußballverein für die Nutzung des einzigen für Heimspiele vorhandenen Stadions zahlen muss, einen Marktpreis zu ermitteln.
Das waren schon alle vier Textabschnitte mit Bezug zum Profisport, die laut OB Krogmann den Kontext zur gesellschaftlichen Bedeutung des Sports und der Wechselwirkung von professionellem und Breitensport erläutern sollen.
Zum gesellschaftlichen Stellenwert des Sports gibt es im im Verfahren nur eine Passage:
1.-
Was die Erreichung eines Ziels von gemeinsamem Interesse angeht, können der Bau von Einrichtungen für Sport- und sonstige öffentliche Veranstaltungen sowie die Unterstützung verschiedener Arten von Tätigkeiten, die der Allgemeinheit zugutekommen, als eine Aufgabe des Staates gegenüber der Allgemeinheit angesehen werden. Die Erklärung von Amsterdam zum Sport und Artikel 165 AEUV erkennen beide den gesellschaftlichen Stellenwert des Sports an. Dort heißt es: „Die Union trägt zur Förderung der europäischen Dimension des Sports bei …”.

Der gesellschaftliche Stellenwert des Sports bezieht sich ausschließlich auf den Breitensport und schließt, wie im Zitat von Prof. Fischer oben erläutert, die staatliche Förderung des Profisports aus. In dem hier zitierten Absatz nimmt die Kommission Bezug auf die Einleitung eines Beihilfeprüfungsverfahrens der Ahoy Multifunktionsarena in Rotterdam aus dem Januar 2008. Die Einwände gegen die Beihilfe wurden dann bis Oktober 2008 ausgeräumt – was für Krogmanns Drittliga-Stadion nur möglich wird, wenn die Stadt Oldenburg ordnungsgemäß die Beihilfe an die Wettbewerbsbehörde meldet.
Was haltet ihr von der Antwort des (Büros des) Oberbürgermeisters, dass der Zusatz „Profi“ nicht missbräuchlich, sondern erläuternd in der Einführung zum zitierten Text eingesetzt … wurde? Schreibt eure Meinung gerne in die Kommentare.
Als Bürger einer Stadt unterstellt und erwartet man, daß die gewählten Volksvertreter nüchtern und zielorientiert genau das zitierte Gemeinwohl anstreben.
Wenn aber s o offensichtlich persönliche Interessen an dessen Stelle durchgedrückt werden sollen, auch unter Zuhilfenahme von offensichtlicher, absichtlich provozierter Fehldeutung eines europäischen Rechtstextes, dann wird es schlicht schmuddelig.
In Schwaben sagte man vielleicht höflich:“Es hat Gschmäckle…“, würde aber dieser bewußt eingeschobenen Unwahrheit damit ´nicht gerecht.
Die ‚offensichtliche‘ Fehldeutung wird aber leider erst ‚offensichtlich‘, wenn man z.B. wie hier durch diesen Blog die fachliche Unterweisung erhält. Andernfalls hat man regelmäßig doch gar keinen Zugang zu den dahinter stehenden Zusammenhängen.
Da ist ’schmuddelig‘ vielleicht schon eher höflich zu nennen.
P.S.: Und weil es eben dieser Vermittlung von Sachwissen hier bedurfte, um die Rechtmäßigkeit des Vorgehens des OBs, der Verwaltung und der meisten Fraktionen überhaupt einschätzen zu können schreibe ich hier recht dankbar bereits den zweiten Kommentar.